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Ein Plädoyer für Probleme

Businessexperte Hermann Scherer meint, die meisten Menschen und Unternehmen sind zu
blind um Chancen zu erkennen und deshalb stecken sie im Mittelmaß.
Herr Scherer, wir suchen nicht erst seit Finanzkrisen nach neuen Chancen und
Möglichkeiten. Sie schreiben das Buch „Glückskinder“ und behaupten, wir sind
nicht in der Lage Chancen zu erkennen und stecken deshalb im Mittelmaß. Warum
behaupten Sie das und was haben Sie gegen das Mittelmaß?
Ich habe nichts gegen das Mittelmaß, im Gegenteil es hilft den Anderen außergewöhnlich zu
sein, es ist nur langweilig. Die meisten Menschen suchen Erfolg, dabei liegen die Chancen
auf der Straße. Sie kennen den Spruch „Das Geld liegt auf der Straße.“ Das ist nicht wörtlich
gemeint, doch die Chancen, die uns dazu führen, liegen tatsächlich auf der Straße. Die
meisten Menschen jammern über Probleme und sehen die Chancen nicht, weil sie glauben,
dass Chancen im leuchtenden Gewand kommen. Oft merken die Menschen dabei nicht, dass
die Chancen direkt vor ihnen liegen. Sie sehen die Bäume vor lauter Wald nicht.
Sie meinen „Wald vor lauter Bäumen“ und wie sehen wir nun die Chancen?
Wir sehen die Bäume vor lauter Wald, die Chancen vor lauter Problemen nicht. Was wir
sehen sind Schwierigkeiten, Krisen und Probleme – an unserem Arbeitsplatz, bei unseren
Prozessen, unseren Kunden und wir verbringen noch mehr Zeit damit auf den
Unternehmensfluren darüber zu jammern. Dabei ist jedes Problem eine Chance in einem
„negativen“ Gewand.

Ein Problem ist eine Gelegenheit in Arbeitskleidung. Probleme sind Chancen. Ein anderes
Wort für Chance: Problem. Die Welt ist voller Probleme und damit voller Chancen. Solange
es Probleme gibt, gibt es Chancen. Gäbe es keine Probleme, gäbe es nichts zu tun. Was,
wenn sich Produkte von alleine verkaufen ließen? Wozu dann der Außendienst? Wer kleine
Probleme lösen kann, wird kleine Wertschöpfung erzielen, wer große Probleme lösen kann,
der wird …. Je größer die Probleme, desto größer die Wertschätzung ihrer Lösung. Je größer
die Wertschätzung ihrer Lösung desto größer ist die Wertschöpfung. Je größer Ihre
Problemlösungskompetenz ist, desto größer sind Menge, Marktanteil und Marge.
Wer zentrale Mark Probleme sichtbar besser löst als andere, der regt einen kybernetischen
Kreislauf an, mit dem er einen Erfolg nicht verhindern kann! Nirgends wachsen wir besser
als im Garten unserer Probleme. Also wünsche ich Ihnen Probleme an denen Sie fast,
zugegeben nur fast ersticken. Wenn wir Chancen entdecken wollen, dann dürfen wir uns
nicht auf die Chancen konzentrieren, sondern auf die Probleme.

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Business-Experte Hermann Scherer bei einem seiner begehrten Vorträge

Wir sollen uns also auf die Probleme konzentrieren?
Die Qualität unseres Lebens hängt doch davon ab, mit welcher Qualität von Problemen wir
umgehen können. Wir entscheiden ein Leben lang, wie weit wir uns entwickeln wollen, wie
weit wir diese Treppe nach oben steigen. Je höher wir kommen desto besser die
Aussicht. Im Versuch des Unmöglichen ist doch das Mögliche erst entstanden. Ihr Problem
ist nicht Ihr Problem. Sie glauben nach der Lösung wären Sie glücklich. Das stimmt nicht,
denn dann kommt das nächste Problem. Ihr Problem ist in Wahrheit, dass Sie glauben Ihr
Problem sei Ihr Problem. Ihr Problem ist, dass Sie glauben, keine Probleme im Leben haben
zu dürfen. Aber dann wäre Ihr Leben doch stinklangweilig. Menschen, die keine Probleme
haben, liegen auf dem Friedhof. Dabei ist das größte Problem der Deutschen, kein Problem
zu haben.
Sie sind nicht allein mit Ihrem Problem und Sie allein sind nicht das Problem. Deswegen
machen Sie sich bewusst, Probleme sind Lebenslektionen, Aufgaben, Ereignisse, Situationen,
die passieren. Wenn Sie die lösen, erhöhen Sie Ihre Lebensqualität.
Sie bleiben dabei, dass wir unfähig sind Chancen zu entdecken?
Ja, größtenteils schon – weil wir es gar nicht lernen. Unser Schulsystem hat – nicht nur diesbezüglich
– versagt. Immer wieder liest man Berichte darüber wie viele Deutsche in Armut
leben. Ich will weder die Schicksale, noch die tragischen Umstände leugnen, dennoch stelle
ich mir die Frage, ist es nicht machbar, dennoch etwas zu tun. Mir ist nicht ganz klar, warum
Menschen so oft glauben, dass nichts geht.
Ich habe bisher alle meine Firmen mit maximal 2.500 Euro gegründet. Ich komme nicht aus
behütetem Elternhaus mit Sondervorteilen, sondern habe meine ersten fünf Mark als
Gläsereinsammler in einer Diskothek verdient und wäre erst später zum Gläserabwäscher
befördert worden. Was lässt Menschen in Hartz IV, Frust und Langeweile verharren, statt
sogar zum Millionär zu werden? Welches Gen ist dafür verantwortlich, dass wir Menschen
eine innerliche Handbremse haben?
Ich bewundere immer den jungen Mann vor dem IKEA in Eching. Er passt die Leute zwischen
Ausgang und Parkdeck ab und bietet ihnen freundlich an, ihnen beim Tragen zu helfen.
Ausgerüstet ist er mit Verpackungsmaterialien, Schnüren und Messer. Damit hilft er den
Leuten, die mal wieder mehr eingekauft haben als sie mit zwei Händen transportieren
können, ihre neuerworbenen Schätze zum Auto zu bugsieren und transportfertig zu machen.
Eigentlich ist er ein Bettler. Aber eigentlich ja gerade auch wieder nicht, denn er fragt nie
nach Geld. Er tritt als charmanter, gut gelaunter, hilfsbereiter junger Mann auf. Er würde
auch lächeln, wenn er kein Trinkgeld bekäme. Aber er bekommt immer eins. Und nicht zu
knapp. Ich habe ihn beobachtet, und ich schätze, dass sein Stundenlohn klar höher ist als
der der Angestellten drinnen im IKEA. Er hat Probleme in Chancen umgewandelt.
Wir müssen also die Weltanschauung bezüglich unserer Probleme ändern?
Ja, die gefährlichste aller Weltanschauungen ist ja die Weltanschauung der Leute, die die
Welt nicht angeschaut haben. Als ich die Firmen meiner Eltern übernahm, gab es eine
Herausforderung. Es fiel mir schwer, mit den damals knapp 30 Mitarbeiterinnen umzugehen.
Nach meinem Betriebswirtschaftsstudium hatte ich zwar viel über Break-Even-Points und
Return on Investments gelernt, jedoch keine Ahnung, was ich mit knapp 30 weiblichen
Mitarbeiterinnen tun sollte, insbesondere dann, wenn die mit Migräne oder anderen mir
unbekannten Problemen auf mich zukamen. So ging ich in einen Kommunikationskurs, um
zu lernen, was neben der Betriebswirtschaft noch für eine Unternehmensführung wichtig ist.
Dort wurde mir wieder klar, welche Probleme andere Menschen hatten, mit den Mitarbeitern
umzugehen, so dass ich von da an parallel nicht nur als Unternehmer mit schlussendlich 100
Mitarbeitern, sondern gleichzeitig auch als Trainer für Persönlichkeitsentwicklung einiges
bewegen durfte.
Später durfte ich feststellen, dass es Zeitungsverlagen schwer fällt, eine Leserblattbindung
zu generieren. Daher gründeten wir die Firma Unternehmen Erfolg (www.unternehmenerfolg.de),
die wiederum Marktführer darin wurde, Vortragsveranstaltungen in 42 Städten
für Verlage durchzuführen.
Der Markt der Redner war wiederum durch Intransparenz geprägt, also gründeten wir das
Deutsche Rednerlexikon und erkannten, dass es nicht nur darum ging, die Informationen
über die Redner in Lexika abzudrucken, sondern die Redner auch zu vermitteln und somit
gründeten eine Redneragentur Vortragsimpulse,
http://www.unternehmenerfolg.de/vi/index.php. Hier können Sie sich aus über 1.000
Rednern die besten aussuchen. Doch ein Problem zieht das nächste nach sich.
Redner brauchen Räume, Hotels oder Veranstaltungsorte, also ist das Deutsche Hotellexikon
nicht weit um auch dieses Problem zu lösen. Sie wissen, worauf ich hinaus will. Jedes
Problem ist in Wirklichkeit eine Chance. Die Lösung ergibt aber gleichzeitig wieder neue
Probleme, die dann wieder gelöst werden sollen, sowohl im Kleinen als auch im Großen.
Die Besonderheit dabei liegt nicht darin, die Chancen zu sehen, sondern die Probleme zu
sehen. Und die Probleme sehen wir dann gut, wenn wir die Umstände nicht so annehmen,
wie sie sind.
Wie sollten wir dann mit den Umständen umgehen?
Vor kurzem organisierten zwei meiner Mitarbeiterinnen eine Tagung. Bestens vorbereitet von
A bis Z mit allen möglichen detailliert ausgearbeiteten Möglichkeiten. Von der Begrüßungsmappe
bis hin zum Fläschchen Wasser für die Heimreise inklusive Gummibären und
sonstigen Annehmlichkeiten war alles organisiert. Ich durfte selbst für die Anwesenden ein
kleinen Vortrag halten und fragte vor der Veranstaltung meine Mitarbeiter, warum dieser
Tisch hier im Raum sei? Warum ist dieser Fernseher im Raum? Was wollt Ihr an dem
Fernseher zeigen? Was wollt Ihr an dem Tisch demonstrieren und warum ist da hinten dieser
Aufbau?
Die Antwort meiner Mitarbeiter: „Der stand vorher schon da.“ Ich fragte daraufhin: „Braucht
Ihr denn diesen Fernseher?“ Sie verneinten diese Frage. Also räumten wir die unnötigen
Dinge raus und hatten plötzlich wesentlich mehr Platz, in dem eh schon beengten Raum. Sie
hatten die Fähigkeit, sich den Dingen gut anzupassen. Einerseits sehr wichtig, aber ganz
häufig nehmen wir die Umstände einfach nur so hin wie sie sind, obwohl wir sie ändern
könnten.
„Das war schon so.“, „Das war schon immer so.“, „Das haben wir schon immer so
gemacht.“, „Das wurde uns vorgegeben.“, das sind die Aussagen, die wir dann hören. Wir
sind zu wenig Rebell, um uns gegen die Dinge, die uns vorgegeben werden, zu wehren.
Genauso ist unser Leben. Wir nehmen die Umstände wie sie sind, wir nehmen den
Tagungsraum wie er ist.
So ist unser Leben. Statt im Tagungsraum stehen wir nur im Lebensraum und nehmen zu
häufig den Lebensraum so wie er ist, als ihn so zu gestalten, wie er für unsere Bedürfnisse
sein sollte.

 

 

Bild dimaberkut depositphotos, Hermann Scherer