Team of young chefs preparing delicatessen dishes

Erfolgstipps der Spitzenköche: Besonnen führen und Mitarbeiter sorgfältig auswählen

Michael Kempf ist Küchenchef des Berliner Restaurants Facil im The Mandala Hotel, das mit zwei Sternen im Guide Michelin und 18 Gault­Millau­Punkten ausgezeichnet ist. Im Facil wurde Michael Kempf 2003 Küchenchef und erkochte sich dort gleich im ersten Jahr im Alter von sechsundzwanzig Jahren seinen ersten Michelin­Stern. 2013 folgte der zweite Michelin­Stern, und im Jahr danach zeichnete ihn das Fachmagazin Der Feinschmecker als Koch des Jahres aus.

 

Den besten Rat, den ich je bekam, erhielt ich nicht etwa dadurch, dass mir jemand sagte: „Hör mal, Michael, das solltest du am besten so und so machen.“ Vielmehr hatte ich das Glück, dass mir der beste Rat – besser gesagt, gleich ein ganzes Bouquet an guten Ratschlägen – zwei Jahre lang täglich von Dieter Müller in seinem Gourmetrestaurant im Schlosshotel Lerbach vorgelebt wurde.

2001, als ich noch in Schaffhausen in der Fischerzunft arbeitete, habe ich mich sehr gezielt bei Dieter Müller beworben. Sein Ruf eilte ihm voraus und ich erhoffte mir, viel von ihm zu lernen. Ich hatte großen Respekt vor ihm, weil er fachlich einfach absolute Spitzenklasse war, und ich dachte, dass ich mich jetzt in eine ganz andere Welt begeben werde. Mit entsprechendem Bammel fing ich bei ihm an und war absolut überrascht von der Art und Weise, wie dieser preisgekrönte Koch sich beim Arbeiten und vor allem im Umgang mit seinen Mitarbeitern verhielt: keinerlei Starallüren, kein Herumschreien, keine aufgeregte Hektik. Mir eröffnete sich eine durch und durch familiäre Atmosphäre, in der Dieter Müller als Chef sehr menschlich, ruhig und besonnen agierte. Direkt im Anschluss an meine Zeit bei Dieter Müller bin ich ins Facil gegangen, zunächst ein halbes Jahr als Stellvertreter des damaligen Küchenchefs René Conrad, dann direkt als Küchenchef. Nun konnte ich anwenden, was mir Dieter Müller so beispielhaft vorgelebt hat.

Für meinen eigenen beruflichen Werdegang prägten und beeinflussten mich vor allem sein Führungsstil und die Art und Weise, wie er mit uns Mitarbeitern umging. Das Wichtigste, das mir Dieter Müller, natürlich neben dem kulinarischen Handwerk und der Präzision, beigebracht hat, ist, wie wichtig Menschlichkeit in der Küche ist. Dazu gehört unter anderem, eine relaxte Atmosphäre zu schaffen. In kühler Stimmung und unter Druck kann niemand kreativ sein. Ich selbst bin ein ausgeglichener Mensch, daher fällt es mir nicht schwer, mein Team zu ermuntern, auch mal fünfe gerade sein zu lassen. Passiert ein Fehler, so wird dieser sofort geklärt und ausgebügelt, und dann ist alles wieder gut. Unter Stress und in Anspannung habe ich noch keine kulinarischen Highlights entstehen sehen. Damit Meisterleistungen am Herd gelingen, müssen natürlich die einzelnen Teammitglieder menschlich zusammenpassen. Daher investiere ich viel Zeit bei der Auswahl neuer Mitarbeiter. In den zwei, drei Tagen Praktikum, die ein Kandidat in engerer Auswahl bei uns absolviert, bekomme ich ein sehr verlässliches Gefühl dafür, ob er nicht nur super Fachkenntnisse und tolle Referenzen hat, sondern auch menschlich gut in mein Team passt.

Ständig heißt es natürlich, sich um die Weiterentwicklung der Mitarbeiter zu kümmern. Wenn ich merke, jemand im Team wird unruhig, scharrt innerlich mit den Füßen und will durchstarten, dann führe ich Entwicklungsgespräche.

Gesprächsbedarf gibt es laufend, denn ich habe drei Teams zu führen: das Team des Facil, das Frühstücksteam und das Team von Qiu Bar & Restaurant. Insgesamt sind das achtundzwanzig Mitarbeiter. Ich führe regelmäßig Stärken-Schwächen- Analysen durch, und wer weiterkommen will, wird von mir sehr früh gefördert. Ich sorge auch früh dafür, dass alle tief involviert sind. Da nehme ich auch die tendenziell weniger kreativen Mitarbeiter in die Pflicht. Ein gutes Beispiel dafür ist die Entwicklung des Menüs, das alle acht Wochen gewechselt wird. Für das neue Menü werden systematisch Ideen gesammelt: Dafür hänge ich ein Blatt an die Küchentür, auf dem jeder seine Vorschläge notieren soll. Ich stelle fest, dass sich die Mitarbeiter so viel besser mit den Gerichten und dem Menü identifizieren können, als wenn sie von mir vorgeschrieben bekommen, was demnächst gekocht werden soll.

Die schönste Bestätigung für meinen Führungsstil gibt mir mein Team dadurch, dass einige von ihnen seit mehr als zehn Jahren mit mir zusammenarbeiten. Was gibt es Schöneres als solche Konstanz und Verlässlichkeit?

 

Frank Arnold: Der beste Rat, den ich je bekam: Lebensrezepte von Spitzenköchen
Hanser Verlag, ISBN: 978-3446254985

Bild: Goodluz/depositphotos