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Jürgen Klopp: Kommunikation auf Champions League-Niveau

Er ist neben Jupp Heynckes und Ottmar Hitzfeld der dritte deutsche Trainer, dem das Meisterstück gelang, die UEFA Champions League zu gewinnen. Der erste europäische Titel seit dem Jahr 2005 für den legendären FC Liverpool macht auch den 51 Jahre alten Deutschen zur Legende.

Was den Trainer Jürgen Klopp aus Sicht eines Rhetorik-Experten besonders macht, ist nicht sein tiefes taktisches Verständnis des modernen Fußballs oder die Fähigkeit, ein erfolgreiches Team aufzubauen, sondern der ganzheitliche Kommunikationsansatz, der immer wieder das Beste aus den Spielern herausholt. Klopp schafft es, durch authentische Kommunikation ein Umfeld zu kreieren, in dem Spieler an sich glauben und bereit sind, den letzten Schritt mit und für den Trainer zu gehen. Klopp inspiriert Menschen, er fesselt sie und bringt sie zum Lachen. Diese Fähigkeiten machen den „normal one“, wie er sich mit einem Seitenhieb auf „the special one“, José Mourinho, an der Anfield Road vorstellte, tatsächlich zu einem ganz speziellen Menschen. Denn in dem Moment, in dem Jürgen Klopp die Trophäe in den Nachthimmel von Madrid reckte, triumphierte die Einsicht, dass es auch im knallharten Profisport immer zuerst um Menschen geht, und danach um Spieler. Und dass es möglich ist, mit dieser Einstellung Erfolg zu haben!

Vertrauen geben und ansprechbar sein

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Ein fantastischer Trainer… aber er ist auch ein fantastischer Mensch Virgil van Dijk – Abwehrchef FC Liverpool

Nach dem Sieg in Madrid sagte Virgil van Dijk, der im Nachgang zum Player of the Match gewählt wurde, Klopp sei „ein fantastischer Trainer… aber er ist auch ein fantastischer Mensch“. Jürgen Klopp vertraut seinen Spielern und seine Spieler vertrauen ihm. Mein Klient Neven Subotic, der sowohl in Mainz als auch bei Dortmund unter ihm spielte, beschreibt Klopp als jemanden, der für seine Mannschaft lebt. In einem Interview sagte Neven, es mache für Spieler einen großen Unterschied, ob sie einen Trainer haben, der immer für sie da ist, oder ob ein Trainer nachhause geht, und den Job in der Kabine liegen lässt. Jürgen Klopp ist gefühlt 24/7 in allen Angelegenheiten für Mitarbeiter und Spieler des Clubs zugänglich. Er selbst spricht von einer imaginären Tür, die immer offenstehen müsse. Das sei zwar anstrengend, aber nur so sei möglich, die Menschen auch wirklich zu erreichen und ihnen den eigenen Glauben an den Erfolg weiterzugeben. Dabei streichelt Klopp seine Spieler nicht nur. Geprägt von einem familiären Umfeld, in dem vor allem der Vater mit Lob sparte und die Mutter ihm lebendigen christlichen Glauben vermittelte, hat Jürgen Klopp seinen eigenen Weg gefunden. „Ich will der Trainer sein, den ich mir als Spieler immer gewünscht habe“, sagte der gebürtige Stuttgarter. Für ihn selbst heißt das, präzise, deutlich und klar zu sein. Aber immer verständnisvoll gegenüber dem Menschen. „Ich will aufbauend sein, aber auch kritisieren. Alles im richtig Maß.“ Klopp übt Kritik, um seine Spieler nach vorne zu bringen und ihm den Glauben an die eigenen Fähigkeiten zu geben. An diesem Ansatz können sich viele Führungskräfte orientieren. Denn natürlich kann jede Kritik sachlich richtig und angebracht sein. Wenn sie das richtige Maß verliert, zeigt sie nicht auf, wie sich ein Mitarbeiter verbessern kann, sondern zerstört Selbstvertrauen und Motivation. Wer seinen Mitarbeiter drei oder vier konkrete Punkte aufzeigt, in denen er sich verbessern kann, der bringt sie nach vorne. Wer ihm zwölf Punkte mitgibt, der zerstört ihn. Klopp, der als erster Trainer in Deutschland bereits in der Halbzeitpause Video-Analysen von Spielszenen aus der ersten Halbzeit einsetzte um Verbesserungen aufzuzeigen, findet dieses Maß.

Loyalität vorleben

fällt leicht diesem Mann zu vertrauen, dessen eigener Werdegang vor allem von Authentizität, Loyalität und dem Vertrauen in seine Mitarbeiter geprägt ist. Seine sportliche Bilanz zeigt, dass er ein Mensch ist, der immer einmal öfter aufsteht als er hinfällt. Und er ist oft hingefallen. Siebenmal spielte er als Spieler gegen den Abstieg, mehrfach verpasste er als Trainer von Mainz 05 den angestrebten Aufstieg – und weinte danach in der Kabine hemmungslos. Aber er hält seine sportliche Familie in Sieg und Niederlage zusammen. Mit seinem Co-Trainer Peter Krawietz arbeitet er seit seiner Zeit bei Mainz 05 zusammen, bis Januar 2019 begleitete ihn auch Željko Buvac, der 2001 von ihm zurück nach Mainz auf die Trainerbank geholt wurde. 2008 leitet er mit diesem Team bei Borussia Dortmund eine neue Ära ein, die in den Meisterschaften 2010/11 und 2011/12 ihre Höhepunkte fand. Die aktuelle Trennung von Buvac im Januar 2019 ist der vielleicht letzte Beweis für die gelebte Loyalität und gegenseitiges Vertrauen. In einem der härtesten und unbarmherzigsten medialen Umfelder überhaupt, weiß niemand, warum beide nach so lange Zeit getrennte Wege gehen, von keiner Seite dringt ein böses Wort nach außen.

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Klopp kann aber nicht nur nach innen kommunizieren. Zahllose, hunderttausendfach geklickte Videoclips seiner Pressekonferenzen beweisen, dass er auch die Außendarstellung meisterhaft beherrscht. Mit seiner sympathischen Art, seiner Authentizität und seinem Humor zieht er Medien und öffentliche Aufmerksamkeit auf sich – und trägt auch damit zum sportlichen Erfolg bei. Denn für ihn ist es ein Weg, Freiräume zu schaffen, in denen sich die Mannschaft entwickeln kann. Dieses Spiel beherrscht in Deutschland auch das mit dem FC Bayern München höchst erfolgreiche Duo Hoeneß und Rummenigge meisterhaft. Aber während insbesondere Uli Hoeneß zwar von den eigenen Fans verehrt und geliebt wird, wird er vom Rest der Fanwelt im besten Fall respektiert. Jürgen Klopp, dem Meister der authentischen Kommunikation, fliegen die Herzen von Fans und Gegnern zu.

 

Autor:

Michael Ehlers ist Medienexperte und Bestsellerautor. Sein Fachgebiet ist Rhetorik. Er betreut Unternehmen, Manager und Spitzensportler.

 

 

 

 

 

 

 

 

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