Mitarbeiter im Büro

Ordentlich tot oder chaotisch innovativ

Ordentlich soll er sein, der Mitarbeiter, berechenbar und so präzise arbeiten wie ein Uhrwerk. Er soll verlässlich immer die gleiche Arbeit in der gleichen Qualität abliefern. So die Wunschvorstellung des Arbeitgebers, denn diese straffe Ordnung schafft Sicherheit. Aber schafft es auch Innovation? Schon heute sind Computer fähig, für immer mehr Aufgaben den Menschen zu ersetzen. Dort wo die Regeln und der Rahmen fix sind, etwa bei der Beantwortung der Einstiegsfragen von Telefonhotlines, beim Schach, oder bei der Organisation von Daten hängen Computer mit ihrer oft mehrfach parallel laufenden Rechenkapazität uns Menschen inzwischen ab. Tote Intelligenz, trotzdem habe wir Menschen in Sachen Ordnung nichts mehr zu melden.
Nur eins können die Maschinen bisher noch nicht: Gefühl und Ideenreichtum einsetzen. Darin sind wir ihnen unerreichbar überlegen. Beides kommt von der Kreativität und die liegt nahe dem bunten Wirbel des Chaos. Heinz von Förster, ein Philosoph, Physiker und Kybernetiker, stellte die Behauptung auf, Kinder seien Menschen, Menschen seien chaotische Lebewesen, ergo seien Kinder völlig unprognostizierbar. Sie explodieren fast vor Kreativität, staunen und lernen völlig frei von Ordnungssystemen, aus dem, was sie in ihrer Welt erleben. Erwachsene lieben aber die Sicherheit der Vorhersehbarkeit, die aus Ordnung entsteht. Schubladen vereinfachen die Welt, nehmen der Komplexität die Schrecken. Deshalb ist, laut Vera F. Birkenbihl, Managementtrainerin und Sachbuchautorin, eines der ersten Dinge, die einem Kind beigebracht werden, Dinge und Erlebnisse zu ordnen. Als Beispiel nennt sie: „Wir fragen das Kind: ‚Wieviel ist zwei mal zwei?‘ und es sagt: ‚rot‘. Das erschreckt uns zu Tode. Dann erklären wir dem Kind, dass auf eine Rechenfrage gefälligst eine Rechenantwort zu erfolgen habe, in diesem Falle ‚vier‘. Das ganze noch einmal und das machen wir so lange, bis das Kind prognostizierbar geworden ist. Gelingt uns das, so lieben wir das brave Kind. Je braver, desto toter. Gelingt es uns nicht, dann gnade ihm Gott! Dann rennen wir zum Psychologen mit „dem armen Wurm“ Und sie setzt hinterher: „Und so wollen wir unsere Mitarbeiter auch haben, oder wir wollten sie so haben: Ordentlich, prognostizierbar, in kleine Schubladen einsortierbar.“
Nur braucht der Arbeitsmarkt Arbeitnehmer, die denken können, die neue Ideen in die Welt setzen und dazu dürfen sie nicht halb tot sein. Das intelligente, kreative und innovative Denken ist immer näher am Chaos als an der Ordnung. Wie Birkenbihl hinterherschiebt: „Wir müssen uns mit dem Rand des Chaos vertraut machen, denn hier spielt sich die Zukunft ab.“
Denken Sie, es wäre Zufall, dass viele der großen technischen Innovationen von Menschen stammen, die Jules Verne-, Marvel- oder StarTrek-Fans sind? Menschen, die als Kind so fasziniert von der Technik in ihren Geschichten waren, dass sie sie als Erwachsene realisiert haben? Ist es Zufall, dass das israelische Militär seinen Offizieren das Spielen von Pen&Paper-Rollenspielen untersagte, da sie dadurch für ihre Obrigen zu freigeistig und kreativ wurden, um Kadavergehorsam zu zeigen? Sehen Sie sich um, wieviele großartige Innovateure auch intuitionsgesteuerte Musiker sind und angeben, sie seien bei ihrer großen Erfindung vor allem ihrem Bauchgefühl gefolgt.
Also räumen Sie sich kreative Auszeit ein, lesen Sie, aber nicht nur Fachliteratur, probieren Sie öfter mal etwas Neues aus, pflegen sie menschliche Nähe und vor allem: Entdecken Sie das staunende Kind in sich wieder.
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